| ****** 1967 war ein für die Entwicklung der Rockmusik sehr bedeutendes Jahr, denn in diesem Jahr verlor die Rockmusik endgültig ihre kindliche Naivität der frühen Jahre. Zum einen begannen kreative Musiker ihr vorhandenes Potential auszuschöpfen und begannen, auf Langspielplatten ernsthafte Projekte zu produzieren und zum andern begnügten sie sich nicht mehr allein mit ihrer Rolle als Pop- und Rockstar, der im Rampenlicht steht und das Publikum unterhält. Sie bezogen, teilweise auch in ihren Liedern, Stellung zum aktuellen politischen Geschehen. Diese Rolle war bisher nur den Sängern der entsprechenden Szene vorbehalten, während Pop- und Rocksänger sich mit den Banalitäten des Alltags wie Mädchen anmachen und flachlegen (aber in jugendfreien Bahnen versteht sich!) beschäftigten. Ein so düsteres Stück wie z.B. The End von The Doors aus dem Jahre 1965 wäre nur wenige Jahre zuvor undenkbar gewesen. Zwei Ereignisse waren für diese Zeit prägend und zwar der immer mehr ausufernde Vietnamkrieg, der in den Staaten die Massen zu Protesten mobilisierte und die aufkommenden Studentenunruhen in Europa, die 1968 ihren Höhepunkt fanden. In der Rockmusik spielten Drogen eine immer größere Rolle. Musiker konsumierten die neue synthetische Droge LSD in der Annahme, durch Bewußtseinserweiterung bessere Musik zu machen. Ob diese unter Drogeneinfluß entstandene Musik wirklich gut ist, bleibt jedem Hörer selber überlassen. Plötzlich klang alles viel komplizierter, nichts klang mehr so fröhlich wie noch zu Beginn der britischen Beatinvasion anno 1963/64. Psychedelic hieß das Zauberwort jener Zeit. Wie die meisten Stile der populären Unterhaltungsmusik entstand auch der Psychedelicrock in den USA. Gruppen wie etwa Jefferson Airplane experimentierten schon 1965 mit der Verbindung aus Rockmusik und Drogen, aber erst englische Gruppen wie etwa Pink Floyd machten daraus eine eigenständige Musik. Die Beatles (wer sonst) war eine der ersten englischen Gruppen, die sich dem neuen Sound, allerdings zaghaft, annahmen und in ihre Musik einbauten. So finden sich auf ihrem 67er Meisterwerk Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band deutliche Einflüsse des Psychedelic. Dem wollten die Rolling Stones, die Nummer 2 hinter den Beatles, natürlich nicht nachstehen und produzierten das Album Their Satanic Majestic Request. Und auf dem Gebiet des Psychedelic wirkten die Stones wesentlich glaubwürdiger als die Beatles. Aufgrund ihres Bösen-Bube-Image mit wilden Partys, Groupies und Saufgelagen nahm man ihnen vorbhaltlos ab, daß sie auch hemmungslos kifften und sich den ein oder anderen LSD-Trip gönnten (was im besonderen Maße für Brian Jones galt). Sollten die Stones bei den Aufnahmen von Their Satanic Majestic Request tatsächlich permanent unter Drogen gestanden haben, dann ist ihnen mit diesem Album ein verteufelt guter Geniestreich gelungen. Zwar hatten sie in der Vergangenheit einige guten Langspielplatten veröffentlicht, vor allem die beiden unmittelbaren Vorgänger Aftermath und Between The Button, doch Their Satanic Majestic Request bedeutete für sie der vorläufige kreative Höhepunkt. Nie zuvor waren die Stones musikalisch tollkühner und musikalisch experimentierfreudiger als wie auf diesem Album. Schon das Cover suggeriert Psychedelic: Inmitten einer bizarren Märchenwelt erblicken wir die bunt verkleideten Steine, die, bis auf Charlie Watts, grimmig dreinschauen. Musikalisch beginnt das Album mit Sing This All Together höchst ungewöhnlich. Die schräge Melodie, die ungewöhnliche Instrumentierung und der mehrstimmige Gesang erinnert eher an eine fröhliche Hari-Krishna-Gruppe als an die Stones. Leichte Sitarklänge und Glöckchen lassen auch einen Baghwan in den Fuckwahn geraten. Citadel klingt schon eher nach den Stones, wenn auch in einem drogenschwängerten Rahmen. Richtig schräg und untypisch für die Stones klingt In Another Land. Überhaupt erkennt man beim ersten Hinhören erst gar nicht, wer hier am Werke ist. Zum einen singt hier zur Abwechslung mal Bassist Billy Wyman (mit arg verzerrter Stimme) und zum anderen könnte man meinen, die hier ausführende Gruppe sei Pink Floyd unter der Regie von Syd Barrett. Etwas völlig anderes ist 2000 Man, ein gemäßigtes Rockstück amerikanischen Zuschnitts. Sing This All Together (See What Happens) führt den geneigten Zuhörer durch einen bunten psychedelischen Garten. Das Stück hat eigentlich keine richtige Melodie und klingt eher wie ein Stück, das demonstrieren soll, wie die Stones klingen, wenn sie richtig zugekifft sind. Wenn man einen Draht für außergewöhnliche Musik der späten 60er Jahre hat, wird man an Sing This All Together (See What Happens) seine helle Freude haben. Eines mder besten Stücken im Gesamtwerk der Stones ist meines Erachtens das herrlich schräge Shes A Rainbow. Die einschmeichelnde, mit den Pianoakkorden, wüchtigen Bläsereinlagen und von John-Paul Jones gespielten Streichereinlagen Ballade ist einfach grandios. Das leicht bluesorientierte The Lantern klingt streckenweise etwas düster, Gomper mit Flöten- und Tablaeinlagen streckenweise ziemlich exotisch. Den Vogel schießen sie schließlich mit der Sci-Fi Nummer 2000 Light Years From Home ab. Irgendwie klingt diese sensationelle Nummer wie eine Vorlage für David Bowies Space Odity, nur klingt hier alles viel kälter und düsterer. Wäre da nicht Mick Jaggers markante Stimme, so könnte 2000 Light Years From Home auch von Pink Floyd stammen (Wäre das Stück von Pink Floyd, so wäre 2000 Light Years From Home mit Sicherheit eine ihrer Glanznummern ihre Frühzeit). Interessant ist übrigens auch, in welcher Aufmachung Mick Jagger dieses Stück seinerzeit vor den Fernsehkameras präsentierte und zwar wie ein Vorbote einer in wenigen Jahren beginnenden Welle (Glamrock). On With The Show ist eine recht skurille Klangcollage, die etwas an die Beatles erinnert. Die Mischung aus verzerrtem Gesang, Psychedelic und etwas Exotik (in diesem Fall mexikanisch und nicht indisch!). Mit Their Satanic Majestic Request ist den Stones ein außergewöhnlich gutes, wenn auch nicht gerade einfaches Werk gelungen. Mit diesem Album bewiesen einen enormen Mut zum Risiko, in dem sie ihre üblichen musikalischen Pfade einfach mal verließen und etwas völlig Neues wagten. Das Ergebnis ist mehr als gelungen, gehört Their Satanic Majestic Request neben Sticky Fingers und Exile On Main Street zu ihren besten Werken überhaupt. Eingefleischte Stones wissen eh um die Qualitäten dieses Schätzchen und wer die Stones nur aus der Neuzeit kennt, der wird beim Anhören von Their Satanic Majestic Request erstaunt feststellen, daß die Gruppe früher einmal verdammt gute Musik gemacht hat. |